Auf Cthulhus Spur

Gepflegtes Rollenspiel rund um den kriechenden Wahnsinn

夢の国への逃避 (Yume no kuni e no tōhi) – Flucht in die Traumlande

…und komme vor einem seltsamen, runden Gebäude zu mir. Ich bin nackt und habe nichts dabei, außer Ujimasas Schreibfeder. In einiger Entfernung erkenne ich einen Turm. Es ist der Uhrturm des Rathauses von Ulthar. Es hat also geklappt. Ich bin in den Traumlanden. Erleichtert atme ich auf.

Etwas verlegen schaue ich mich nun nach etwas um, mit dem ich meine Blöße bedecken kann. In einem Hinterhof entdecke ich eine Wäscheleine, auf der jemand weiße Laken aufgehängt hat. Verstohlen schleiche ich in den Hof, bemächtige mich eines der Laken wie ein dahergelaufener Dieb und reiße und binde mir daraus ein einigermaßen brauchbares Gewand. In diesen weißen Roben sehe ich aus, als wäre ich auf dem Weg zu meiner Selbstentleibung.

Das Gebäude, vor dem ich gelandet bin, ist, wie ich schnell feststelle, eine Bibliothek. Sie ist umfangreich, aber nicht unendlich. Zögerlich und mit einem nicht zu leugnenden Unbehagen betrete ich das Gebäude und behalte skeptisch den Ausgang im Blick. Ein freundlicher Mann spricht mich in Bukatau, der Sprache der Traumlande, an. Er fragt nach meinem Begehr, soviel verstehe ich, aber ich winke ab. Ich suche nichts Konkretes.

Die Bibliothek enthält vor allem Aufzeichnungen aus den Traumlanden, wie es scheint. Ich beherrsche die Sprache dieser Reiche noch nicht so gut, dass ich in der Lage wäre, sie zu lesen, doch die Abbildungen zeigen vertraute Landschaften und Orte: Ulthar, der verwunschene Wald, der Meerschaumturm, die Katzen. Ich beschließe, Kurō zu suchen und im Gasthaus “Zum Seemannsgarn” Quartier zu beziehen, doch vorher will ich mir etwas Vernünftiges anziehen. So mache ich mich auf den Weg zur Traumlandtruhe im verwunschenen Wald. Ich frage mich, warum ich nicht gleich auf diese Idee gekommen bin. Vermutlich wegen des Einflusses der Bibliothek.

Die Aura, welche die Kugeln hervorrufen, hat sich ausgedehnt. Ich muss den Kreis betreten, um an die Truhe zu kommen. Für das Unbehagen, das mich dabei umfängt, mache ich die nervenaufreibenden jüngsten Ereignisse verantwortlich. Ich weiß noch immer nicht, wie es Mycroft ergangen ist, doch auch meine Freunde haben die Möglichkeit, in die Traumlande zu reisen. Ich hinterlege eine Nachricht in der Truhe, in der ich meine Freunde über meine Situation und meinen Aufenthaltsort informiere.
“Wenn ihr etwas von Mycroft hört, lasst es mich wissen”, schließe ich das Schreiben.

Zurück in der Stadt nehme ich mir wie geplant ein Zimmer im Gasthaus und schaue mich dann nach Kurō um. Ich kann ihn aber nirgends entdecken. Die Menschen in Ulthar machen sich Sorgen. Etwas geht im verwunschenen Wald um, heißt es, und eine Aura, die nicht gut für das Land ist, breitet sich aus. Die Katzen wollen die Sache untersuchen. Das erklärt auch, warum so wenige von ihnen hier sind. Ich halte diese Information für so wichtig, dass ich noch einmal zur Traumlandtruhe reise und meine Nachricht um diese ergänze.

Der Tag in den Traumlanden neigt sich seinem Ende. Ich verspüre auch hier keine Müdigkeit oder Erschöpfung. Auch Hunger und Durst stellen sich weiterhin nicht bei mir ein. Der Einfluss der Bibliothek auf meinen Körper wirkt sich offenbar bis hierher aus. Das ist gut. Solange ich hier nicht schlafe oder sterbe oder mich durch Gebet oder Meditation in einen entrückten Zustand versetze, kann ich hier bleiben und von hier aus versuchen, einen Weg nach Hause zu finden. Mir kommt Joes Haus in den Sinn und das Portal, das sich alle zwei Wochen dort öffnet. Ich weiß nicht, was passiert, wenn ich mit meinem Astralleib durch das Portal in die Wachwelt eintrete. Niemand von uns hat das bisher ausprobiert.

Als die Stadt sich zur Ruhe begibt, halte ich meinen Geist weiter in Bewegung. Ich betrachte den Sternenhimmel, der gleiche, den wir auch auf der Erde haben. Der Mond hängt nur als schmale Sichel am Himmel. Morgen oder übermorgen dürfte Neumond sein. Ich werde also noch etwas mehr als eine Woche warten müssen, bis sich das Portal in die Wachwelt im Haus des alten Joe das nächste Mal öffnet.

Irgendwann bin ich es leid, in die Sterne zu schauen. Ich will mich körperlich betätigen. Das Zimmer ist recht klein, doch ausreichend, um ein paar Stand-, Atem- und Formübungen zu praktizieren. Als ich auch dessen langsam aber sicher überdrüssig werde, vernehme ich den ersten Hahnenschrei des Tages. Die Morgendämmerung setzt ein. Ich beschließe heute Esme zu besuchen. Vielleicht weiß sie einen Rat.